Meine Kinder, deine Kinder, unsere Kinder?

 PATCHWORKFAMILIEN

Patchworkkinder

Mein Kinder, deine Kinder, unsere Kinder?

Was haben Stiefvater|Stiefmutter in einer Patchworkfamilie zu sagen und was nicht? Patchworkfamilien sind schon längst keine Seltenheit mehr. Und doch ist vieles im Zusammenleben nicht so selbstverständlich wie in der klassischen Vater-Mutter-Kind-Konstellation. Jedenfalls nicht in rechtlicher Hinsicht.

Patchworkfamilien – so bunt wie vielfältig

Patchworkfamilien gibt es in vielerlei Art. Mal leben Kinder mit ihrer Mutter und deren neuem Partner oder neuer Partnerin zusammen. Mal mit dem Vater und seiner neuen Beziehung. Mal gibt es Stiefgeschwister, mal wird im Laufe der neuen Partnerschaft ein weiteres Geschwister geboren, ein Halbbruder oder eine Halbschwester.

Und dann gibt es da noch den leiblichen Vater bzw. die leibliche Mutter. Sofern er oder sie nicht verstorben ist und den Kontakt zu den eigenen Kindern hält. Oder ebenfalls, zum Beispiel jede zweite Woche, mit ihnen zusammenlebt.

Zusammen leben

Wer erzieht wen und wer entscheidet was?

Ein Beispiel: Lena lebt mit ihrem neuen Partner Max und ihren Kindern Lukas und Leonie zusammen. Jedes zweite Wochenende kommt Mira, Max‘ Tochter zu ihnen. Und vor drei Jahren haben Lena und Max ein gemeinsames Kind, Jonas, bekommen. Das Zusammenleben in der Patchworkfamilie läuft kaum anders ab als in herkömmlichen Familien. Lena und Max kümmern sich gemeinsam um die Kinder, versorgen und erziehen sie. Doch inwieweit ist Max gegenüber Lukas und Leonie überhaupt sorgeberechtigt?

Grundsätzlich verbleibt das gemeinsame Sorgerecht nach Trennung oder Scheidung nämlich bei beiden leiblichen Eltern. Egal, ob die neue Partnerschaft mit einem Trauschein besiegelt wurde oder nicht. Das heißt: Grundlegende Entscheidungen dürfen nach wie vor nur die leiblichen Eltern treffen. Dazu gehören medizinische Eingriffe oder Entscheidungen über Schule und Ausbildung.

Das „kleine Sorgerecht“

Im Alltäglichen aber sieht das anders aus. Da entscheidet Max selbstverständlich mit, in manchen Situationen auch mal alleine. Sei es, dass Leonie mit einer befreundeten Familie einen Ausflug machen darf. Sei es, dass sich die Familie vegetarisch ernährt oder dass eine Standardimpfung wahrgenommen wird. Oder dass Lukas mit seinen acht Jahren regelmäßig bei der Hausarbeit hilft. Rein rechtlich gesehen aber dürfte Max das alles nicht. Es sei denn, er ist mit der Lena verheiratet und die wiederum allein sorgeberechtigt. Dann hätte er nach §1687b des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) das so genannte kleine Sorgerecht inne.

Max aber ist nicht mit Lena verheiratet und selbst wenn: sie teilt sich das Sorgerecht mit dem leiblichen Vater ihrer Kinder. Deswegen hat Lena Max kürzlich eine Sorgerechtsvollmacht („Stiefelternvollmacht“) erteilt. Nun darf er auch „offiziell“ Leonie vom Kindergarten abholen, Informationen bei Max‘ Schule einholen und Entschuldigungen schreiben.

Eine Sorgerechtsvollmacht kann immer „nur“ die Entscheidungen umfassen, die der leibliche Elternteil auch ohne den anderen sorgeberechtigten Elternteil, treffen darf.

Wer bleibt zuhause, wenn ein Kind krank ist?

Das Kinderkrankengeld ist eine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung und steht beiden Elternteilen zu. Unabhängig davon, ob das Kind bei ihnen lebt oder nicht. Auch Max könnte unter Umständen Anspruch auf Kinderkrankengeld haben, sofern er maßgeblich zum Unterhalt der Familie beiträgt. Die Zustimmung (oder Ablehnung) seitens der Krankenkasse ist eine Einzelfallentscheidung.

Patchworkfamilie Geschwister

Trennung und Tod

Darf man nach einer Trennung weiterhin Kontakt zum Stiefkind haben?

Nicht selten werden Stiefeltern zum Ersatz-Papa oder zur Ersatz-Mama. Nach einer Trennung haben sie zwar laut Gesetz kein Umgangsrecht mehr mit „ihren“ Kindern. Es kann ihnen aber im Streitfall nach § 1685 Abs. 2 BGB zugesprochen werden. Entscheidend ist, dass im gemeinsamen Zusammenleben eine vertrauensvolle Beziehung entstanden ist und die Kinder weiter den Kontakt wünschen.

Wo bleiben die Kinder, wenn der leibliche Elternteil stirbt?

Noch ernster wird die rechtliche Situation, wenn Lena sterben würde. Denn dann bekommt plötzlich der leibliche Vater das alleinige Sorgerecht für Lukas und Leonie, auch wenn er bislang kaum in Erscheinung getreten ist. Damit nach solch einem tragischen Fall nicht auch noch die Familie auseinandergerissen wird, kann Lena Vorsorge treffen.

Sie kann in einer Sorgerechtsverfügung festhalten, dass die Kinder weiterhin bei Max und ihrem Halbbruder Jonas leben sollen und Max Sorgerecht erhält. Eine Sorgerechtsverfügung sollte allerdings gut begründet und notariell beglaubigt sein. Und falls bei Lenas Tod keine solche Verfügung vorliegt, kann Max immer noch beim Familiengericht einen Antrag auf Verbleibensanordnung stellen.

Eine Sorgerechtsverfügung sollte gut begründet und notariell beglaubigt sein.

Für das Jugendamt und das Gericht ist grundsätzlich das Kindeswohl entscheidend! Lebt die Patchworkfamilie schon länger zusammen und bestehen enge, vertrauensvolle Bindungen untereinander, kann entschieden werden, dass die Kinder auch weiterhin in der Familie verbleiben dürfen.

Vermächtnis

Welches Kind und welche Partnerin | welcher Partner erbt wie?

Die gesetzliche Erbfolge kennt nur Verheiratete und leibliche Kinder. Stiefvater und Stiefkind, Stiefmutter und Stiefkind sind vor dem Gesetz nicht miteinander verwandt, egal ob sie im selben Haushalt leben oder nicht.

Das heißt: Leonie und Lukas sind nicht erbberechtigt, wenn Max stirbt. Ebenso Lena, weil sie und Max ohne Trauschein zusammengelebt haben. Jonas, das gemeinsame Kind, hat dagegen in der gesetzlichen Erbfolge den gleichen Stellenwert wie Max‘ leibliche Tochter Mira aus seiner früheren Partnerschaft. Außerdem erbt eventuell sogar dessen ehemalige Partnerin, sofern die beiden noch miteinander verheiratet sind.

Wer Sicherheit und Gerechtigkeit in diese komplexe Konstellation bringen möchte, ist gut beraten, ein notarielles Testament aufzusetzen, besser noch einen Erbvertrag zu schließen.

Ein Erbvertrag ist nicht anfechtbar und bietet die meiste Sicherheit, dass alles im Sinne der verstorbenen Person geregelt wird.

Weitere interessante Informationen gibt es auf dem Familienportal des Bundesfamilienministeriums: 

→ Regenbogenfamilien
→ Patchworkfamilien
→Umgangs- und Sorgerecht