Mein Wille geschehe!

 DIE PATIENTENVERFÜGUNG

Infusion und Patientin mit Patientenverfügung

Mein Wille geschehe!

…auch dann , wenn ich mich in einer medizinischen Notlage befinde und nicht (mehr) selbst über meine weitere Behandlung entscheiden kann!

Ja, das wollen wohl die meisten von uns. Wohlwissend, dass es dazu unbedingt einer Patientenverfügung bedarf. Und doch schieben wir das Thema gerne weit nach hinten. Dabei können wir jederzeit, in jedem Alter, durch einen schweren Unfall oder eine Krankheit in eben solch eine Situation geraten.

Die Patientenverfügung

Selbstbestimmt bis zum Schluss

Ohne Patientenverfügung aber entscheiden zwangsläufig andere für uns. Das ist je nach juristischer Sachlage die behandelnde Ärztin, der behandelnde Arzt, eine von uns bevollmächtigte oder eine amtlich bestellte Betreuungsperson. Sie muss über das Ob und Wie von lebensverlängernden Maßnahmen bestimmen – über die wir selbst vielleicht ganz anders entschieden hätten. Eine Patientenverfügung bringt dagegen unseren ureigenen, selbst formulierten Willen zum Ausdruck. Und der ist für alle Beteiligten bindend!

Wohlgemerkt: Solange wir noch bei klarem Verstand sind und solange wir noch auf irgendeine Weise, durch Kopf­schütteln oder Nicken zum Beispiel, einer medizi­nischen Behand­lung zustimmen oder diese ablehnen können, bleibt die Patientenverfügung in der Schublade.

Entlastend für Angehörige

Oft erklären sich Familienangehörige oder andere Vertrauenspersonen bereit, als bevollmächtigte Betreuer|in unsere Gesundheitsfürsorge für den Fall zu übernehmen, dass wir selbst dazu nicht mehr in der Lage sind. Das ist schön und beruhigend für uns. Doch gerade uns nahestehende Personen können in arge Gewissensnot geraten, wenn sie darüber entscheiden müssen, ob das Beatmungsgerät ausgeschaltet werden soll oder nicht („Hätte sie|er das jetzt wirklich gewollt?“). Sohn und Tochter können völlig verunsichert sein, weil sie den mutmaßlichen Willen der Mutter ganz unterschiedlich auslegen. Und für andere zu entscheiden, ab wann Schmerzmittel verabreicht werden sollen, die dauerhaft das Bewusstsein trüben, ist ebenfalls alles andere als leicht.

Mit einer Patientenverfügung entbinden wir unsere Lieben von dieser Not. Denn mit solch einem Dokument sind nicht mehr sie die Entscheidenden, sondern wir selbst. Unsere Bevollmächtigten müssen dann „nur“ dafür sorgen, dass unserem Willen auch entsprochen wird. Das wiederum setzt allerdings auch voraus, dass sie sich zutrauen, in der konkreten Entscheidungssituation allein unseren Willen in den Blick zu nehmen und eigene Gefühle wie Trauer und Verlustangst außen vor zu lassen.

Nicht jede Situation kann im Detail vorausgedacht werden. Deswegen ist es gut, wenn wir mit unseren Vertrauenspersonen viel reden und uns austauschen: über unsere Vorstellungen von Lebensqualität, über unsere Art des Wohlbefindens und des Leidens, über Hoffnung und Erlösung.

Klar und rechtsicher formulieren

„Ich möchte mein Leben in würdevoller Weise und mit möglichst wenig Schmerzen beenden.“ Ja, natürlich! Doch was heißt das genau? Ärzt|innen erhalten durch solche Formulierungen keine klaren Handlungsanweisungen und haben im Zweifelsfall immer für den Lebenserhalt zu sorgen.

Eine Patientenverfügung sollte daher möglichst präzise und verständlich formuliert sein. Schließlich wird anhand unseres schriftlich fest­gelegten Willens, nicht immer aber meistens, über Leben oder Tod entschieden. Darüber, unter welchen Umständen eine Behandlung unterlassen oder abgebrochen wird und ob wir in bestimmten Situationen wiederbelebt werden oder nicht. Aber auch darüber, welche lindernden Maßnahmen wir in jedem Fall erhalten möchten. Ein Gespräch mit einer Ärztin unseres Vertrauens, einem Palliativmediziner oder einer praxiserfahrenen Pflegefachkraft hilft, für uns selbst die richtigen Antworten zu finden.

Rechtssichere Formulierungsvorschläge findet man unter anderem beim → Bundesministerium für Justiz. Die Patientenverfügung muss übrigens nicht zwingend notariell beglaubigt werden. Sie ist mit unserer eigenhändigen Unterschrift rechtsgültig und kann jederzeit geändert, ergänzt oder auch widerrufen werden.

eine Hand hält die andere

Die Patientenverfügung in der Praxis

Patientenverfügung leicht zugänglich machen

Eine Patientenverfügung sollte auf keinen Fall im Safe oder sonstwo sicher versteckt werden. Im Gegenteil: Bevollmächtigte, Angehörige und eventuell auch Nachbar|innen sollten leichten Zugang (Haustürschlüssel!) zum Dokument haben und natürlich wissen, wo genau es sich befindet. Am besten also nicht in der hintersten Schublade, sondern irgendwo obenauf oder mit ein, zwei Handgriffen parat liegen.

Es empfiehlt sich zudem, die Telefonnummern der Kontaktpersonen stets bei sich zu führen, damit sich Notarztteam oder Krankenhaus umgehend an sie wenden kann

Patientenverfügung bei Bedarf aktualisieren

Nichts bleibt wie es war. Die Medizin entwickelt sich weiter und bringt neue Erkenntnisse und Behandlungsmöglichkeiten hervor. Rechtliche Gegebenheiten erneuern sich. Und auch die eigene, persönliche Haltung zum Leben und Sterben, zu Gesundheit und Krankheit kann sich ändern. Deshalb empfiehlt es sich, von Zeit zu Zeit zu überprüfen, ob die einmal aufgesetzte Patientenverfügung noch dem eigenen Willen entspricht.

Die meisten Expert|innen empfehlen, das Dokument nach spätestens fünf Jahren noch einmal hervorzuholen. Auf den meisten Musterformularen sind Extrazeilen vorgesehen, in denen man Änderungen und Ergänzungen oder auch nur einen Vermerk wie „unverändert aktuell“ eintragen kann. Wichtig ist, auch dies mit Datum und Unterschrift zu besiegeln.

Was passiert, wenn man keine Patientenverfügung hat?

Wer keine Patientenverfügung aufgesetzt hat und seinen Willen nicht mehr äußern kann, muss bei Entscheidungen über medizinische Maßnahmen von anderen vertreten werden. Bei eilbedürftigen Maßnahmen hat der Ärzt | die Ärztin zu entscheiden. Geht es um Maßnahmen, die nicht sofort erfolgen müssen, kommen entweder unsere Bevollmächtigten (per Vorsorgevollmacht) oder amtlich bestellte Betreuer|innen ins Spiel. Gibt es beide noch nicht, wird im Eilverfahren eine vorläufige Betreuungsperson bestellt. Für alle gilt: Sie müssen irgendwie ermitteln und mutmaßen, wie wir selbst in der aktuellen Situaton entschieden hätten. Und das kann schwierig werden. Insbesondere dann, wenn wir unseren Willen bislang weder schriftlich noch mündlich geäußert haben.

Kurzum: Eine frühzeitige Patientenverfügung ist für alle Beteiligten der einfachere und konfliktfreiere Weg. Auf dass unser Wille geschehe. Bis zum Schluss.

Ebenso wichtig: die Vorsorgevollmacht
→ Ich bestimme, wer für mich bestimmen darf