Vererben ohne Erben

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Vererben ohne Erben

Marlies, 64, ledig und kinderlos, hat keine gesetzlichen Erben, wohl aber Menschen und soziale Projekte, die ihr am Herzen liegen. Sie war zweimal verheiratet, stets unabhängig, eine taffe Frau, die es neben einem eigenen Haus zu einem ansehnlichen Geldvermögen und Besitzwohlstand gebracht hat. Außerdem ist sie Miteigentümerin einer gutgehenden, kleinen Weinhandlung.

Nun ist sie vollkommen unerwartet verstorben. Was geschieht da mit ihrem Nachlass?

Die gesetzliche Erbfolge bei kinderlosen Singles

Ohne schriftlich Regelung, ohne Testament stünden Marlies‘ Eltern an erster Stelle der Erbfolge. Da beide nicht mehr leben, wären deren weiteren Kinder, also Marlies‘ Geschwister, an der Reihe und, sollten auch diese nicht mehr leben, deren Kinder, also Marlies‘ Neffen oder Nichten. Gäbe es keine Verwandten diesen Grades, erbt der Staat.

Doch Marlies wäre nicht Marlies, wenn sie nicht schon zeitig selbst ihren Nachlass geregelt hätte – per Testament und Schenkungen zu Lebzeiten.

Wie setzt man ein Testament auf?

In einem Testament legt man fest, welche Personen erben sollen und wer von ihnen wieviel Prozent vom gesamten Nachlasswert bekommt. Alternativ kann man aber auch – wie Marlies – verfügen, wer welchen Nachlassgegenstand, welches Geldguthaben und/oder welchen Besitz bekommt. Hier ist es wichtig, alles so konkret wie möglich zu benennen.

Ein Testament muss handschriftlich verfasst, mit Ort und Datum versehen und unterschrieben sein. Damit hat es Rechtsgültigkeit. Eine notarielle Beglaubigung kann ratsam sein, ist aber keine zwingende Voraussetzung.

Nachlassgegenstände

So hat Marlies der Nachbarstochter Katrin, die sie von Geburt an kennt, ihr Auto zugedacht. Wäre sie eine nahe Angehörige von Marlies gewesen, hätte sie sogar deren Prozente, den Schadensfreiheitsrabatt, bei der Versicherung ganz oder teilweise „erben“ können. Doch Katrin freut sich auch so über die Erbschaft.

Die langjährige Haushaltshilfe und Vertraute Lisbeth darf sich laut Testament all die Möbel und Haushaltsgegenstände aussuchen, die sie gerne für ihr eigenes Zuhause übernehmen würde. „Ihr“ geliebter Ohrensessel und die antike Anrichte werden sicher dabei sein. Der Rest des Hausrats soll dem sozialen Kaufhaus am Ort zugutekommen.

Geldvermögen

Ganz oben auf Marlies‘ Spendenliste stehen „Ärzte ohne Grenzen“, denen sie einen Großteil ihres Geldvermögens vermacht hat. Weitere, kleinere Summen kommen den örtlichen Initiativen und Vereinen zu, denen sich Marlies besonders verbunden fühlt.

Testamentsspenden sind von der → Erbschaftssteuer befreit.

Firmenanteile

Marlies‘ Patensohn und Mitgründer der Weinhandlung Lukas erbt ihren Geschäftsanteil und ist damit nun alleiniger Eigentümer der gemeinsam gegründeten GmbH. Marlies war schon immer sehr daran gelegen, dass der Laden auch ohne sie fortgeführt wird wie bisher.

Geschäftsanteile einer GmbH sind gemäß Gmbh-Gesetz → § 15 frei vererbbar. 

Wenn Miteigentümer und Erbe ein und dieselbe Person sind (und es zudem keine gesetzlichen Erben gibt), handelt es sich zwar um eine relativ einfache Erbschaftsangelegenheit. Dennoch sollte auch Lukas seine Steuerberaterin und gegebenenfalls einen Anwalt zur Klärung aller steuerlich und rechtlich relevanten Details hinzuziehen.

Immobilien

Nicht selten gehören auch Immobilien, ob selbst genutzt oder vermietet, zur Erbmasse. Marlies hat ihr Haus allerdings schon vor vier Jahren Ihrer Nichte und Ihrem Neffen zu gleichen Teilen überschrieben. Anlass war ihr 60. Geburtstag. Sie wollte sich nicht mehr selbst um alles am Haus kümmern müssen, wohl aber dort wohnen bleiben. Ihr lebenslanges Wohnrecht hat sie in der notariellen Schenkungsurkunde vermerken und im Grundbuch eintragen lassen.

Vermögen-vererben

Wieviel Erbschaftssteuer fällt an?

Die Besteuerung der einzelnen Erb- bzw. Vermögensteile fällt ganz unterschiedlich aus. Der Gesetzgeber unterscheidet nämlich die Verwandtschaftsverhältnisse und unterteilt diese in drei Gruppen, denen dann die Steuerklassen von 1 bis 3 mit unterschiedlichen Steuersätzen, je nach Wert des Erbes, zugeordnet sind. Zudem gibt es, ebenfalls abhängig vom Verwandtschaftsgrad, bestimmte Steuerfreibeträge.

Steuerklassen

Im Amtlichen Erbschaftssteuer-Handbuch ist unter → III § 15 unter anderem nachzulesen, dass Ehepartner:innen sowie Verwandte aus gerader Linie wie (Stief-)Kinder und Kindeskinder der Steuerklasse 1 zuzurechnen sind. Marlies‘ Nichte und Neffe werden der Steuerklasse 2 zugeordnet, die Nachbarstochter, die Haushälterin und der Geschäftspartner der Steuerklasse 3.

Freibeträge

Auch die Freibeträge, sind im Erbschaftssteuer-Handbuch unter → III § 16 nachzulesen. Demnach müssen Ehe- bzw. Lebenspartner|innen bis zu 500.000 Euro ihres Erbes nicht versteuern. Kinder haben einen Freibetrag von 400.000 Euro, Kindeskinder in Höhe von 200.000 Euro und allen anderen aus der Steuerklasse I in Höhe von 100.000 Euro.

Marlies‘ Neffe und Nichte steht ein Steuerfreibetrag von 20.000 € zu, ebenso der Nachbarstochter, der Haushaltshilfe und dem Geschäftspartner.

Erbschaften (Geld- wie Sachwerte), die über den gesetzlichen Steuerfreibetrag hinausgehen, unterliegen übrigens der → Anzeigepflicht und müssen dem zuständigen Finanzamt gemeldet werden – und zwar innerhalb von drei Monaten.

Werden auch Schenkungen zu Lebenszeiten besteuert?

Ja! Auch Marlies‘ Nichte und Neffe hatten vor vier Jahren ihren Immobilienerwerb (Marlies‘ ehemaligen Hausbesitz) zu versteuern. Bei der Besteuerung von Schenkungen werden dieselben Steuerklassen und Freibeträge wie bei Erbschaften herangezogen. Dennoch können Schenkungen zu Lebzeiten unter Umständen vorteilhafter sein als Erbschaften, denn:

Freibeträge können alle 10 Jahre neu ausgeschöpft werden.

Was geschieht mit privaten Rentenversicherungen?

Marlies hatte auch eine private Rentenversicherung, ist aber vor Renteneintritt gestorben. Die nun anfallende, vertraglich vereinbarte Versicherungsleistung wird ausschließlich an ihre langjährige Haushaltshilfe und Vertraute Lisbeth ausgezahlt. Denn Marlies hat Lisbeth allein als bezugsberechtigte Person eingesetzt. Selbst wenn Marlies einen Ehepartner oder Kinder gehabt hätte, hätten diese keinerlei Ansprüche daran, denn:

Private Renten- und Lebensversicherungen zählen nicht zur Erbmasse
(wenn eine begünstigte Person für den Todesfall eingesetzt wurde)

Der Anspruch auf die vereinbarte Todesfallsumme bei einer Renten- oder Lebensversicherung besteht ungeachtet sonstiger testamentarischer Regelungen oder gesetzlicher Ansprüche. Es reicht ein freundliches Schreiben an die Versicherung unter Hinzufügung der Original-Versicherungspolice und mit der Angabe der Kontonummer sowie der Erklärung, dass sie die Schenkung annimmt.

Achtung: Ohne Original-Police keine Auszahlung!

Bei der Begünstigung im Todesfall handelt es sich übrigens um eine Schenkung. Sie muss angenommen und wie eine Erbschaft versteuert werden. Hier macht der Fiskus keinen Unterschied, auch wenn es statt Erbschaftssteuer dann Schenkungssteuer heißt.